Anriss eines Querschnitts zu Nomaden und Kontexttheoretische Links und Hintergründe |
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'Nomaden' v. griech. - nomás Gen. nomados der mit den Herden umherzieht; - nomos bedeutet ursprünglich Weideland) Menschen und Gesellschaften, die aus kulturellen, ökonomischen oder weltanschaulichen Gründen ein nicht sesshaftes Lebenskonzept wählen, keinen festen Wohnsitz haben. So gefährlich allgemein die gemeine Definition der Lexika. Ein wesentlicher Aspekt allerdings, scheint hierin erst auf den zweiten Blick auf. Der politische. Und: was das alles mit Kunst zu tun hat. Anfang des 21. Jahrhunderts scheint die ganze Welt in Bewegung geraten. Nach UN-Angaben waren 1993 18,9 Millionen Menschen weltweit auf Wanderschaft. 2007 40 Millionen abzüglich der non- documentados jener Zahl illegaler MigrantInnen und Staatenloser, die allein in der USA auf 3 Millionen geschätzt werden. Ein Heer von schutz- und rechtlosen ArbeitsmigrantInnen, Binnenvertriebenen, Kriegs- - und Umweltflüchtlingen, politisch Verfolgten und displaced persons bewegt sich, nicht nur durch Europa. Eine globale Massenbewegung in Folge der durch Humanitäre Krisen und die bekannten Katastrophen erzeugten politisch-ökonomischen Assymetrie diese wird in dem Maße nicht zum Stillstand kommen, wie diese Assymetrie ausgeglichen wird. Kein zentraleuropäisches Krisenbewältigungsprogramm einer Gesellschaft, der der Staat, bzw. der Sozialstaat abhanden gekommen ist. Alle Welt hat Angst vor der Übermacht der Migration, der Wucht ihrer Bewegung, der Last für das Aufnahmeland, das sie darstellen, aber die Staats/Systeme, in denen wir leben, würden nicht einen Tag ohne diese Nomaden funktionieren. Auf der einen Seite. Auf der anderen erlebt der Begriff des Nomaden auch in einem anderen Kontext, in den bürgerlich links-intellektuellen Diskursen von Globalisierung und Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt eine Renaissance. Der "Umherschweifende Produzent" ist zu einer der populären linken Heldengestalten geworden. Brauchbares Modell für die Subversion "beschleunigten" Lebens und "immaterialisierter" Arbeit im "globalisierten" Kapitalismus, durchaus en vogue, neues bürgerliches wie mitte-linkes fashion victim. Bei genauerer Betrachtung, eine Figur, in der sich die Verhältnisse, die sie zu subvertieren glaubt, erst realisieren. Was er an jedem Ort, an dem er innehält, einführt und etabliert, ist nicht nur das Regime der Produktion, in dessen Kritik die meisten von uns geübt sind, sondern auch das Regime des Umherschweifens, das von freiwilligem Reisen über halb-freiwillige Zeitarbeit bis zu nicht-freiwilliger Migration reicht und das zu differenzieren wir erst noch üben müssen. Die affirmative Rezeption des nomadischen begann bei einer eher romantizistischen Guattari/Deleuze 1000 Plateus, Hymnen auf Freiheit, Fließen und déterritorialisation und endet vorerst bei Hardt/Negri, denen der Nomade und seine molekulare Fluchtlinie/n in ihrem Bestseller als Schlüsselbegriff dient. Besser, als wichtigstes Gegenüber des allmächtigen Empire. Realpolitisch gilt das Konzept der globalen Bewegung bzw. der Bewegungsfreiheit leider nicht für alle die sich unter dem Begriff Nomaden subsumiert finden. So ist es für jene, die innerhalb der EU-Grenzen einen ungesicherten Aufenthaltsstatus genießen oder aus einem Nicht-EU-Land einreisen wollen beinahe unmöglich, wenn nicht gefährlich, EU-Innen-oder Aussengrenzen zu übertreten. Die politische Sphäre hat sich schließlich endgültig in der ökonomischen aufgelöst; ungehindert von materiellen, nationalen und politischen Grenzen fließt vor allem eines: Kapital. Und was Kapital zu werden verspricht. Ebenso wie in der Marxschen Version der Kapitalismusanalyse fungiert der Kapitalismus auch bei Hardt und Negri als Totengräber seiner selbst, indem er die Klasse hervorbringt, die ihn abschaffen wird. Ihr Prototyp: der Cultural Worker, jung, dynamisch und flexibel, er bewätligt innerhalb einer 80-Stunden-Woche mehrere mehr oder weniger kreative Jobs und fühlt sich dabei auch noch wohl. Dieser Typus aber, nicht mehr mit Schaufel, Sichel und Hammer, aber mit Handy und Laptop in der Hand wird auch in nicht-kulturellen Arbeitssektoren als vielversprechend da ökonomisch verwertbar und marktwirtschaftlich schwerstens profitabel erkannt. Der Nomadische Netzwerker, im Gegensatz zu seinem realpolitischen Pendant, dem Arbeits/Migranten, oder schlimmer noch, Flüchtling, wird so un/freiwillig Protegee des Kapitals. Der Dissens nivelliert, assimiliert und sich so der potentiellen da subversiven Gefahr elegant entledigt. Was Nicht-Repräsentierbar war wird (immer) erfolgreich in die Logik der staatlichen Repräsentation aufgenommen. Und ist es nicht willig, dann mit Gewalt. So auch das Prekariat in der Offensive. Gegen das offensiv vorgegangen wird. (E Commedia populare di Commedia in via - finire e morte in piazza) .... Virtualität als Latenz, als nicht-manifeste Realität, als nicht nur potentielle Fluchtlinie hin zu neuen Konfrontationsräumen. Doch auch in den labyrinthischen Gärten der Hypertext-Archive wuchs kein neues Denken oder Handeln heran. Es ist auch niemandem gelungen sich via Glasfaserkabel oder Funk zu deterritorialisieren. Wir sind alle immer noch hier. The Nomad Aesthetic Art production is increasingly being undertaken on the move, literally and figuratively, in our world of mobility, speed and quick morphing. These conditions have given rise to what we would describe as a 'nomad aesthetic', operating across borders and idioms, artistic canons and popular expectations. [ ... ] LEAD ESSAY art india 11/2002 |
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Postdramatisches Theater Der Begriff 'Postdramatisches Theater' stammt aus der Hand des Frankfurter Theaterwissenschaftlers Hans-Thies Lehmann, der hierunter Tendenzen und Stilmittel von Theater seit den ausgehenden 1960er Jahren beschreibend zusammenfasst. Als postdramatisch bezeichnet Lehmann ein Theater, das sich nicht mehr vorrangig an das Primat des Dramas, sprich an den literarischen Dramentext hält, sondern eine Ästhetik entwickelt, die in der Aufführungssituation eine Möglichkeit aufbaut, den Dramentext in ein spezielles Verhältnis zum materiellen Bühnengeschehen zu setzen, um hierdurch eine entsprechende Wahrnehmung beim Zuschauer zu erzwingen. Postdramatisches Theater zielt somit weniger darauf ab, ein Drama textgetreu zu inszenieren, als durch räumliche, visuelle und lautliche Zeichen eine entsprechende Wirkung beim Zuschauer zu erzielen. Es darf allerdings nicht etwa mit Brechts Konzept (Episches Theater) verwechselt werden, da Brecht nachweislich an der Fabel festhält und so, trotz aller Verfremdung, einen dramatischen Theaterbegriff vorzieht. Postdramatisches Theater kennt, den Gedanken radikal zu Ende gedacht, keine Handlung mehr, sondern konzentriert sich darauf, die Aufführung zu zentralisieren und den Kommunikationsprozess zwischen Schauspielern und Publikum anzusprechen. Zusammengefasst meint das postdramatische Theater solche Arbeiten, in denen der literarische Text, also das eigentliche Drama, nicht länger zentraler Gegenstand im Aufführungsprozess ist, sondern andere Zeichen besonders hervortreten. Theater stellt so seine phänomenologische Weise aus, um in ein spezielles Verhältnis zum Text zu geraten. Die Definition des Begriffes ist umfassend und daher nur bedingt einheitlich definierbar. Die Frage, ob bereits in der historischen Avantgarde Anzeichen von Postdramatik vorhanden sind, wird von Lehmann damit beantwortet, dass auch die Vertreter der anti-bürgerlichen Avantgarde noch das Drama als zentrale Referenz im Auge behielten. Lehmanns großer Essay wird vor allem in der Theaterwissenschaft unter Studenten sehr gerne und freizügig zitiert und verwendet, meistens leider nur partiell. Schlechterdings lässt sich aus Lehmanns Essay beliebig zitieren; dabei sollte sein Konzept vom postdramatischen Theater jedoch besser in seiner Gesamtheit - unter den ästhetischen Schwerpunkten Zeit, Raum, Material, Körper, Drama etc. - beachtet werden. Nützlich wird Lehmanns Theorie wenn es darum geht, aktuelle Fragen zu Theater und dessen Möglichkeiten neu zu stellen, so etwa die Frage nach dem Verhältnis von Theater und Politik bzw. dessen politischer Wirkung. So plädiert Lehmann getreu seiner Theorie dafür, das Politische nicht im Inhalt (etwa eines Theaterstückes) zu suchen, sondern in der Form des Theaters, sprich im Aufführungsprozess, der unterbrochen und in seiner Regelmäßigkeit bewusst gemacht werden soll. Diese Eigenart wird für jede Inszenierung neu zu prüfen sein. Immer wieder... |